Wie kommuniziert man Legitimation? Herrschen, Regieren und Repräsentieren in Umbruchsituationen

Wie kommuniziert man Legitimation? Herrschen, Regieren und Repräsentieren in Umbruchsituationen

Organisatoren
Forschungsschwerpunkt „Politische Kommunikation und die Macht der Kunst“ der Philosophisch-Historischen Fakultät, Universität Innsbruck / Internationales Graduiertenkolleg „Politische Kommunikation von der Antike bis ins 20. Jahrhundert“ (Frankfurt am Main/ Innsbruck / Trient / Bologna)
Ort
Innsbruck
Land
Austria
Vom - Bis
11.06.2008 - 13.06.2008
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Von
Eva Maria Werner, Institut für Geschichte und Ethnologie, Universität Innsbruck

Vom 11. bis 13. Juni 2008 fand in Innsbruck die Tagung „Wie kommuniziert man Legitimation? Herrschen, Regieren und Repräsentieren in Umbruchsituationen“ statt, die vom Cluster „Akteurinnen und Akteure politischer Kommunikation“ im Rahmen des Forschungsschwerpunkts „Politische Kommunikation und die Macht der Kunst“ der Philosophisch-Historischen Fakultät (Innsbruck) sowie vom Internationalen Graduiertenkolleg „Politische Kommunikation von der Antike bis ins 20. Jahrhundert“ (Frankfurt am Main/ Innsbruck / Trient / Bologna) organisiert wurde. Im Mittelpunkt standen Herrschaftsumbrüche, die als Wandel im Herrschafts- und Politikverständnis definiert wurden, sowie deren sprachliche und symbolische Vermittlung. Die Tagung war epochenübergreifend und zu einem gewissen Teil auch fächerübergreifend – neben Historikern nahmen Sprachwissenschaftler und Kunsthistoriker teil – angelegt. Bereits die Begrüßungen durch Dekan CHRISTOPH ULF und die Sprecherin des Forschungsschwerpunktes BRIGITTE MAZOHL führten mit der Anregung zu einer Typologie der Legitimitätsdiskussionen und Überlegungen zu den Begrifflichkeiten „Legitimität“ und „Legitimation“ zum inhaltlichen Teil hin.

Die Reihe der Vorträge begann mit den Ausführungen von ANDREA GAMBERINI (Mailand) zum Thema „Building legitimacy. Some remarks about the political languages in the duchy of Milan (14th-15th century).” Gamberini betonte insbesondere die Vielfalt politischer Sprachen zum Zwecke der Legitimation und stellte ihre Abhängigkeit vom Verhältnis der Sprechenden zueinander dar. In einem ähnlichen zeitlichen Kontext siedelte ARNDT REITEMEIER (Kiel) seine Ausführungen über die Legitimation fürstlicher Herrschaft am Beispiel der Kurpfalz an. Ausgehend von der Frage nach der Rechtmäßigkeit der Herrschaft Kurfürst Friedrichs I. von der Pfalz machte Reitemeier fünf Elemente aus, die fürstliche Herrschaft im späten Mittelalter legitimierten: Dynastie, Lehnsrecht, die Partizipation von Eliten, sakrale Würde und die Führungsfähigkeit des Fürsten. Diese Kriterien erwiesen sich für die Diskussionen im Laufe der Tagung als sehr hilfreich, und es wurde wiederholt auf sie zurückgegriffen. Darüber hinaus konnte Reitemeier jedoch auch die zunehmende Bedeutung der Kommunikation der legitimierenden Elemente aufzeigen. VOLKER SERESSE (Kiel) konzentrierte sich in seinem Vortrag zu politischer Sprache während der Hugenottenkriege von vornherein auf kommunikative Aspekte: Er untersuchte königliche Edikte aus vier Jahrzehnten auf die Frage hin, wie versucht wurde, den König zu legitimieren. Auch in der Präsentation eng an den Quellenbegriffen orientiert, ermittelte Seresse drei der Legitimation dienende politische Sprachen: die „Sprache der Tradition“, die des „princeps christianus“ und die „Sprache der Ordnung“, wobei er auf die Verschiebung hin zu den letzteren beiden hinwies. Auch JÖRG LUDOLPH (Kiel) beschäftigte sich mit politischen Sprachen im Wandel der Zeit. In seinem Vortrag zu den Landtagen von Schleswig und Holstein im 16. und 17. Jahrhundert ging er insbesondere auf die Argumentation mit den „Prinzipien der politischen Kultur“ Wohlfahrt, necessitas und mutua obligatio ein, welche das Verhältnis zwischen Landesfürst und Ständen prägten.

Die Sektion am folgenden Vormittag eröffnete SUSAN RICHTER (Heidelberg) mit ihren Ausführungen zu den Erbfolgestreitigkeiten zwischen Markgraf Christoph von Baden und seinen Söhnen. In Hinblick auf legitimierende Elemente hob Richter zunächst aufseiten des Markgrafen dessen väterliche Autorität hervor, die er durch eine rechtliche Absicherung seiner Handlungen stützte. Doch auch aufseiten der Söhne waren juristische Argumente von Bedeutung, darüber hinaus der Verweis auf Traditionen, Gerechtigkeit und nicht zuletzt auf die (umstrittene) Geisteskrankheit des Vaters. Diese Argumente der Legitimation der eigenen Position wurden auch der breiten Öffentlichkeit – sei es über Bilder oder Münzen – vermittelt, wie Richter darlegte. Ebenso anschaulich gestaltete MARKUS NEUWIRTH (Innsbruck) seine Ausführungen zu den Triumphbögen in Florenz und Innsbruck. Er zeigte, dass das Thema der Tagung auch für die Kunstgeschichte von Bedeutung ist: Die Triumphbögen fungierten als Zeichen des Imperialen und dienten so dem Zweck der Kommunikation von Legitimation. Ein zeitlicher Sprung führte die Tagungsteilnehmer im Folgenden in die Antike. CLAUDIA TIERSCH (Dresden) sprach zum Freiheitsbegriff als Kategorie politischer Legitimation in der späten römischen Republik und frühen Kaiserzeit. Hierbei erläuterte sie das Anknüpfen an alte Begriffstraditionen zum Zwecke der Legitimation und setzte sich mit dem Erfolg dieser Strategie auseinander.

Für den Nachmittag hatten die Organisatoren einen anderen Zugang gewählt. Durch Impulsreferate aus den eigenen Reihen (MARIA STOPFNER, KLAUS BRANDSTÄTTER, ASTRID VON SCHLACHTA und ELLINOR FORSTER), darunter eines von sprachwissenschaftlicher Seite, sollten Innsbrucker Forschungsprojekte und die bisher gehörten Vorträge zu einer das Gesamtthema betreffenden Diskussion zusammengeführt werden. Dabei ergaben sich verschiedene Schwerpunkte, wie etwa zur Art von Legitimationsmechanismen und der Struktur legitimierender Kommunikation. Besonders intensiv wurde die Frage nach der Bedeutung von Präsenz der um Legitimation bemühten Person oder Personengruppe diskutiert. Diese wurde zwar grundsätzlich für alle Epochen anerkannt, dennoch unterstützten mehrere Teilnehmer die Notwendigkeit einer Unterscheidung von „Vormoderne“ (mit einer Dominanz von personaler Politik und daraus folgender Bedeutung von Präsenz) und „Moderne“ (mit der Priorität auf der Verrechtlichung von Administration und Politik).

Diese Problematik sollte am folgenden Tag aufgegriffen werden, als die Vorträge zur Neuzeit auf der Tagesordnung standen. Eine Schweizer Perspektive brachte DANIEL SCHLÄPPI (Bern) ein, der über politische Konzepte und Symbole im helvetischen Einheitsstaat referierte. Eindrücklich beschrieb er unter anderem das Scheitern der Strategie, durch Rückgriff auf die Historie den neuen Staat zu legitimieren.

Auch ANKE JOHN (Rostock) setzte sich im weiteren Sinne mit der Legitimation eines neuen Staates auseinander, wenn sie die Debatte um eine föderative beziehungsweise unitarische Ausgestaltung der Weimarer Republik zum Thema machte. Die Argumentation mit dem „Organismustopos“ stand dabei, so John, Schlagworten wie Rationalisierung und Modernisierung gegenüber.

Letztlich war es an FRANK ENGEHAUSEN (Karlsruhe), auch für die Neuzeit wieder zurückzuführen zu den Fragen nach der Legitimation von Herrschern, welche die Vorträge zu den vorangehenden Epochen bestimmt hatte: Er beschäftigte sich mit Herrschaftsjubiläen und Herrschergeburtstagen im deutschen Kaiserreich und konzentrierte sich dabei insbesondere auf die Festtage im Leben Kaiser Wilhelms II. und Großherzog Friedrichs I. von Baden. Engehausen hob die geringe Substanz der Huldigungen hervor, welche die Fürsten auf symbolische Funktionen – die Verkörperung bestimmter Tugenden – reduzierten. Ihre Legitimation und deren Kommunikation schienen damit in der Tat auf einer anderen Grundlage zu stehen als noch in der Frühen Neuzeit. Dennoch, so wurde in der Abschlussdiskussion nochmals resümiert, konnte als epochenübergreifender Aspekt nicht zuletzt ausgemacht werden, wie groß stets die Notwendigkeit war, Herrschaft den Untertanen zu vermitteln.

Die Ergebnisse der Tagung werden in der Reihe des Internationalen Graduiertenkollegs „Politische Kommunikation von der Antike bis ins 20. Jahrhundert“ bei Vandenhoeck und Ruprecht publiziert.

Kurzübersicht:

Andrea Gamberini (Mailand), Building legitimacy. Some remarks about the political languages in the duchy of Milan (14th-15th centuries)
Arndt Reitemeier (Kiel): Legitimation fürstlicher Herrschaft im späten Mittelalter: Das Beispiel der Kurpfalz im 14. und 15. Jahrhundert
Volker Seresse (Kiel): „mériter et conserver le titre glorieux de Très-Chrétien“. Politische Sprache und Herrschaftslegitimation zur Zeit der Hugenottenkriege
Jörg Ludolph (Kiel): Die Politische Sprache auf den Landtagen in Schleswig und Holstein (16. und 17. Jahrhundert)
Susan Richter (Heidelberg): Unter fremden Siegel – Kommunikationsformen vorgeschobener Legitimität in Folge einer versteckten Absetzung des Herrschers durch seine Söhne am Beispiel der Markgrafschaft Baden im 16 Jahrhundert
Markus Neuwirth (Innsbruck): Triumphbögen in Florenz und Innsbruck. Die Herrschaft der Habsburger in der Toskana
Claudia Tiersch (Dresden): Der Freiheitsbegriff als Kategorie politischer Legitimation in der späten römischen Republik und frühen Kaiserzeit

“Wie kommuniziert man Legitimation?” – Zur Diskussion gestellt
Impulsreferate von: Maria Stopfner (Innsbruck): Schlagwörter im Begriffsstreit - Legitimation politischen Handelns durch Sprache; Klaus Brandstätter (Innsbruck): Wie kommuniziert man Herrschaft vor Ort?; Ellinor Forster/Astrid von Schlachta (Innsbruck): Vom Wandel der Gesellschaft – Symbolik, Verwaltung und Identitäten in der politischen Kommunikation um 1800

Daniel Schläppi (Bern): Legitimation in Zeiten der Revolution. Politische Konzepte und Symbole im helvetischen Einheitsstaat (Schweiz 1798-1803)
Anke John (Rostock): Das Reich als Volkskörper oder Staatsmaschine? Bildhafte und sprachliche Argumentationsmuster in der Debatte um eine föderative bzw. unitarische Ausgestaltung der Weimarer Republik
Frank Engehausen (Heidelberg): Herrschaftsjubiläen und Herrschergeburtstage im deutschen Kaiserreich

Kontakt

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Email: geschichte@uibk.ac.at
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